Toby Binder
Konzept: Children Of War
Spätestens wenn die Horde laut rufend „Nach Hause! Nach Hause!“ durchs Friedensdorf zieht, beklatscht und angefeuert vom Personal und den hierbleibenden Kindern, wird klar, dass die Hilfseinrichtung in Oberhausen nur ein Zuhause auf Zeit für sie war. Aber ein lebensrettendes. Und eines, dem die Kinder ein Leben lang verbunden bleiben werden.
400 Millionen Kinder sind weltweit von Kriegen betroffen. Die medizinische Versorgung in ihren Heimatländern bricht oft völlig zusammen. Ihre einzige lebensrettende Maßnahme ist eine Operation im Ausland.
Flüchtlinge und Kriege, die Menschen zwingen, ihre Heimat zu verlassen, sind in den letzten Jahren ein Hauptthema in den internationalen Medien.
Doch die meisten Opfer von Kriegen bleiben für uns, in unserer sicheren Blase, unsichtbar. Besonders in Zeiten, in denen sich Europa wieder einmal auf absolut unmenschliche Weise gegen Flüchtlinge abschottet. Diese „Unsichtbaren“ schaffen es nie aus ihrem Land und den Konfliktgebieten heraus, weil sie zu krank, zu schwach, zu alt oder zu jung sind. Für einen großen Teil der Bevölkerung ist eine notwendige Behandlung nicht mehr möglich. Komplizierte Operationen können auch Jahre nach einem Konflikt nicht durchgeführt werden, weil qualifiziertes Personal und Infrastruktur fehlen.
Für die Patienten kann dies schlichtweg den Tod bedeuten. In Europa hingegen kann ihnen oft mit einfachen Operationen geholfen werden. Die NGO Friedensdorf International ermöglicht jedes Jahr etwa 300 Kindern diese lebensrettende medizinische Behandlung.
Dabei wird für diese das Kinderdorf ein Zuhause auf Zeit, in dem sie vorbereitende Untersuchungen erhalten und ihre Reha-Maßnahmen nach und zwischen den Operationen absolvieren. Das „Friedensdorf “ – das sind viele Gebäude mit Schlafräumen, Rehazentrum, Klassenzimmern, einem großen Speisesaal. Die Wände zieren bunte Bilder und Basteleien von Generationen von Kindern.
Überall liest man das Wort „Friede“ – auf Portugiesisch, Dari, Englisch, Persisch und Deutsch.
Draußen Sport-, Tobe- und Spielplätze, Feldrandlage. Hier leben Kinder unterschiedlicher Nationalitäten, Hautfarben und Religionen zusammen. Es bilden sich Freundschaften und nicht selten lernt ein afghanisches Kind Portugiesisch, um sich mit seinem angolanischen Freund in dessen Heimatsprache unterhalten zu können.
Zweimal im Jahr werden die genesenen Kinder mit Charterflügen zu ihren Familien zurückgebracht.
Das Zuhause auf Zeit wird gegen daheim getauscht. Einige Mädchen tragen Schleifen im Haar und Tücher um den Hals, die Jungs haben Schirmmützen und Sonnenbrillen auf. Sie rufen im Chor: „Ge-wonnen, nach Hause!“ In einer kleinen Prozession ziehen sie durch das Friedensdorf, die Mitarbeiter und die anderen Kinder stehen Spalier, winken ihnen zu, manche umarmen sich ein letztes Mal oder flüstern den Mitarbeitern ein „Danke“ ins Ohr.
Manche werden für Folgeoperationen wieder kommen, andere ihr Leben lang mit benötigten Medikamenten in ihrer Heimat versorgt werden. Erwachsene, die als Kinder im Dorf waren, berichten von einer Bindung bis heute – in ihr Zuhause auf Zeit. Währenddessen bringt eine Chartermaschine bereits neue kleine Patienten.