Philipp Niemeyer
Konzept: Heute liegen Kiesel auf den Beeten im Garten
Angesichts einer gegenwärtigen Dominanz der Auseinandersetzung mit Erinnerung gerät das Vergessen zunehmend in den Hintergrund – negativ deklariert als Fehler, den es zu überkommen gilt.
Tatsächlich ist nicht das Erinnern, sondern das Vergessen der Grundmodus menschlichen und gesellschaftlichen Lebens.
Zum Erinnern bedarf es einer aktiven Anstrengung, wohingegen Vergessen lautlos und scheinbar unspektakulär geschieht.
Doch jedes Mal, wenn Menschen sich etwas ins Gedächtnis rufen, verändern sie den Inhalt zwangsläufig. Als Forschungsbereich disziplinübergreifender Interessen ist dieses Phänomen genauso Teil eines vielseitigen wissenschaftlichen Diskurses, wie es privat ist. Ziel meiner Arbeit ist es, Vergessen als mehrschichtige Thematik zwischen gesellschaftlicher Praxis und persönlicher Erfahrung als (re)konstruierenden Vorgang fotografisch zu begreifen.
Als Grundlage der Arbeit dient eine Wohnung irgendwo in Bayern: Nachdem 2019 der Ehegatte verstarb, wurde sie vom einen auf den anderen Tag zurückgelassen – die Erinnerungen, welche die 4 Wände jahrelang beherbergten, wirken nun erdrückend und der nächste Schritt ins Altenheim ist unausweichlich. Was ist es wert, in diesen neuen Lebensabschnitt überführt zu werden und was bleibt zurück, wird so dem Vergessen preisgegeben? Ein Jahr werden kleinste Veränderungen in der Wohnung dokumentiert, Spuren des Vergangenen gesucht und gleichzeitig ein Bestand dieses musealen Ortes festgehalten.
Die Familienporträts befüllen diesen leeren Ort mit Leben und erzeugen so ein ausführlicheres Bild der Bewohner. Doch die Porträts selber – fremd, gekauft und ersteigert auf Ebay – stellen die Glaubwürdigkeit der erzählten Geschichte selbst in Frage.