Espen Eichhöfer
Konzept: Papa, Gerd und der Nordmann
Meine Beschäftigung mit den Themen „Herkunft und Zugehörigkeit“, die meinen Fotografien zugrunde liegt, hat einen autobiographischen Hintergrund. Als Kind einer norwegischen Mutter und eines deutschen Vaters wuchs ich zunächst mit meiner Mutter in Norwegen auf. Nach ein paar Jahren zogen wir zu meinem Vater nach Deutschland.
Die Fragen, die mich in dieser Fotoarbeit beschäftigen, sind mir in die Wiege gelegt: Der Verlust der norwegischen Heimat wog schwer für meine Mutter - und damit auch für mich. Wo bin ich eigentlich zu Hause? – das ist die zentrale Frage in meinem Leben.
Die identitätsstiftende Suche nach Heimat und Herkunft ist aber nicht nur eine persönliche. In politischen Kontexten gestellt, kann ihre Beantwortung Existenz sichernd oder bedrohend werden – und das nicht erst seit den Flüchtlingsbewegungen im Jahr 2015. Es entstehen seit einigen Jahren zunehmend politische Strömungen, die die ethnische Zugehörigkeit eines Volkes über die der anderen stellen. Vor diesem Hintergrund hat sich meine Frage nach Herkunft und Heimat gewandelt. Welcher Gestalt ist der starke Bezug meiner Familie auf die norwegische Herkunft?
Norwegen war für uns immer ein Sehnsuchtsort: Ich bin aufgewachsen mit dem Zelebrieren landestypischer Traditionen, das Tragen der Tracht an Feiertagen gehörte dazu. Am 17. Mai, dem norwegischen Nationalfeiertag, wird in meiner Familie am Niederrhein die norwegische Nationalhymne gesungen. Die Idealisierung meines Herkunftslandes ist eine feste Größe in meiner Familie. Zuweilen fühlt es sich an, als wären andere Länder weniger wert. Tragen meine Gefühle gegenüber meinem Geburtsland nationalistische Züge? Zunehmend wurden es diese Themen und Fragen, die ich in Bezug auf meine norwegische Herkunft interessant fand.
So rückte ich die Mitglieder meiner norwegischen Familie, vor allem mein 88-jähriger Großonkel, als Protagonisten dieser Arbeit in den Mittelpunkt. Seine Biografie funktioniert wie ein Gegenentwurf zu meiner eigenen. Er wurde auf dem Bauernhof geboren, auf dem er heute noch lebt. Nur ein einziges Mal reiste er ins Ausland zum Pferdekauf nach Schweden. An Kolbjørn, so sein Name, interessierte mich die klare Verbindung zu dem Stück Land, auf dem er lebt und das seit vielen Generationen seine Herkunft klar definiert. Er identifiziert sich mit der Nation Norwegen, andere Länder und Kulturen sind ihm eher suspekt. Ohne ein Rechtsnationalist zu sein, repräsentiert mein Großonkel eine klare Herkunfts- und Heimatverbundenheit. Für ihn gibt es keine Zweifel daran, dass Geburtsort und Lebenslauf aus einem Guss zu sein haben. Das Leben folgt einer klaren Linie.
Ich habe eine beobachtende Fotografie praktiziert, die zuweilen durch inszenierte Arbeitsweisen erweitert wurden. Nicht selten habe ich die Rahmenbedingungen festgelegt, um später die Akteure selbst bestimmen zu lassen, was sie in der Situation tun. Im Verlaufe dreier Reisen habe mein Thema bearbeitet.
Werdegang
- freiberuflicher Fotograf
Auszeichnungen
- 2017: Stipendien der „VG-Bild“ und „Fritt Ord“ für ein freies Projektüber Fragen zu „Heimat und Herkunft“