Loading...

Nanna Heitmann

Konzept

"Natascha lief weiter und weiter. Nach einer Weile legte sie sich auf den Boden und hörte, wie die Erde zitterte und bebte. Da wurde dem Mädchen klar, dass die Hexe Baba-Jaga schon ganz in der Nähe war. Sie holte den Kamm heraus und warf ihn über die rechte Schulter auf die Erde. An dieser Stelle entstand sofort ein hoher Wald. Die Wurzeln der Bäume gruben sich tief ins Erdreich, die Gipfel ragten den Himmel. Und da kam schon Baba-Jaga angeflogen, sie versuchte den Wald zu passieren, doch sie stieß gegen die Bäume. Um hindurchzukommen, musste sie die Bäume umknicken und die Äste durchbeißen, das Mädchen aber machte keine Pause und lief weiter.
Ob lang, ob kurz, hörte das Mädchen die Erde wieder erzittern. Baba-Jaga war wieder ganz nah! Das Mädchen nahm das Handtuch und warf es über die rechte Schulter auf die Erde. An der Stelle entstand sofort ein Fluss, sehr tief und sehr breit. Baba-Jaga gelangte ans Ufer und musste vor Zorn mit den Zähnen knirschen. Sie konnte nicht über den Fluss! Sie kehrte zurück zu ihrem kleinen Häuschen auf Hühnerbeinen. Seit jeher suchen an den Ufern des Jenissei und der angrenzenden, dichten Taiga, Menschen Schutz und Freiheit. Seit langer Zeit werden die Ufer des Jenissei von Nomadenvölkern durchzogen. Immer auf der Jagd nach Pelztieren erreichten die vom Westen kommenden Russen den Fluss jedoch erst 1607. Kriminelle, geflohene Leibeigene, Abtrünnige oder einfach Abenteurer, schlossen sich in wilden Reiterverbänden zusammen und drangen immer tiefer ins wilde Sibirien vor.
Das Leben der Siedler war für damalige Verhältnisse frei und selbstbestimmt. Altgläubige ließen sich an einsamen Ufern des Jenissei nieder, um der Verfolgung des Zaren und später der Sowjets zu entkommen. Erst mit Stalin wurde der Jenissei auch zum Ort der Verbannung und Zwangsarbeit. Die Sowjets legten nicht nur die heimischen Völker in Ketten, sondern auch den Jenissei. Mit zwei riesigen Staudämmen schufen sie Seen von fast 400km Länge. Dörfer versanken im Wasser, das Klima veränderte sich.
Ein dichter Nebel legte sich über den Fluss. Die UdSSR ist Geschichte. Heute zieht es die meisten Menschen Richtung großer Städte wie Moskau oder Sankt Petersburg. Umso mehr wird der Jenissei wieder zum Raum für Träumer und Einzelgänger, um der weltlichen Welt zu entfliehen. Nicht weit vom Ufer des Jenissei wohnt Juri, welcher sich auf einer Müllkippe eine kleine Hütte gebaut hat. Hier kann er seine 15 Hunde ernähren, hier lebt er frei. In der Stadt, wo sich im Winter dichter Kohlenstaub auf der weisen Schneedecke legt, hält ihn nichts mehr. „Alle meine Freunde sind auf dem Friedhof. Drogen oder Alkohol. „Wird er hier nicht mehr geduldet, findet er eine andere Müllkippe. „Sibirien ist groß. „Folgt man den Strom des Jenisseis nördlich, trifft man auf Valentin, den anarchistischen Ökologen- ehemaliger Offizier, traumarisiert durch Kriegseinsätze. Heute lebt er auf seinem kleinen Grundstück im Wald.
Auch bei minus 50 Grad schläft er am Feuer, draußen. Vom // EXPOSÉ- Wälder versteckt vor Baba Yaga // Krieg hat er endgültig genug.
„Alle Menschen dieser Welt, lebet im Frieden miteinander und schützet Eure Wälder. „Nur jenen erklärt er den Krieg, welche die sibirischen Wälder bedrohen. „Welch wunderbarer Wald. Wie viel wir hier von ihm haben! Aber wir brauchen mehr Wald zum Atmen. Die Menschheit rodete unsere Wälder. Diese müssen unverzüglich wieder aufgeforstet werden. „In der Ballettakademie in Krasnoyarsk träumt Julia davon Ballerina zu werden. Die einstige Ballerina Sofia tanzt seit 6 Jahren im Striptease Club. Ein Trauma im Fuß ließ sie nicht weiter tanzen, im Krasnoyarsker Staatstheater. Selber beschreibt sie sich heute als aktiven Soziopathen.
Nicht weit der Quelle des Jenissei lebt Vaselisa im Dorf von Altgläubigen. Ihre Eltern sind beide Taubstumm und die einzigen ungläubigen in einem Dorf, welches streng nach Jahrhundert alten Ritualen lebt. Ihre einzige Freundin lebt im Dorf Sissim. Die Sommerferien über trennt der Jenissei und ein Fußmarsch sie voneinander. Der Jenissei bleibt eine Metapher und eine Traumlandschaft für Freiheit, Schutz, Gefangenschaft und Isoliertheit. Einsamkeit, nicht verwirklichte Träume, Tod, aufgegebene Hoffnungen, prägen die Menschen ebenso wie die weite Natur, welche gleichzeitig so viel Freiheit und Rückzugsorte gibt. Was fehlt, ist der letzte Teil der Reise.
Mehr als die Hälfte des Jahres ist der Jenissei zugefroren. Ab Krasnoyarsk bis in den hohen Norden verbindet nur die Sommermonate über ein Postschiff die einzelnen Siedlungen. Die Menschen hier sind komplett auf sich selbst gestellt, leben in Anarchie. Damals zwangsumgesiedelt, sind die Meisten in angenehmere Klimazonen zurück gekehrt. Was sind es für Menschen, die trotz schwierigster Bedingungen, im hohen Norden geblieben sind? Jäger und Liebhaber der Einsamkeit und Wildnis?"

Werdegang

  • Freie Fotografin

Auszeichnungen

  • 2019 Finalist of Leica Oskar Barnack Award
  • 2019 PHmuseum Photography Grant- new generation prize, honorable mention
  • 2018 Vogue Italia Prize at the PH Museum women photographers grant
  • 2018 Lensculture-Emerging Talents, shortlisted
  • 2018 Vonovia Award für Fotografie, beste Nachwuchsarbeit
  • 2018 shortlisted for PHmuseum Women Photographers Grant - Verzasca FOTO-Prize
  • 2018 Student Award Winner of World.Report Award 2018
  • 2018 Magenta Foundation-Top 100
  • 2018 Shortlisted for Kolga Award, Georgia
  • 2018 First prize Forum Geschichtskultur an Ruhr und Escher e.V.
  • 2018 Rovinj Photodays final selection