Loading...

Heiko Tiemann

Konzept: Zufügung

Diese Serie entstand als Teil des übergreifenden Zyklus „Zufügung“ in den Jahren 2014 bis 2017 im Ruhrgebiet (Schwerpunkte lagen in Duisburg und Oberhausen) an vier verschiedenen Fördereinrichtungen, Flüchtlingsheimen und Integrationsklassen für Kinder und Jugendliche aus sozial schwierigen Verhältnissen. Diese Institutionen arbeiten mit psychisch und sozial auffälligen Jugendlichen und im Rahmen meines fotografischen Projektes ergründete ich die subtilen Zeichen psychologischer Verwerfungen und Probleme. 
Dies ist ein sehr zeitaufwendiger Prozess, denn es muss Vertrauen aufgebaut werden. Es geht auch darum, den Jugendlichen, durch das Medium Fotografie, eine neue Reflektionsebene zu schaffen und auch in den fotografischen Ergebnissen eine sowohl poetische wie auch dokumentarische Auseinandersetzung mit diesen Menschen auf einem hohen ästhetischen Niveau zu erreichen. Übrigens halte ich Sensibilität, Achtsamkeit und Haltung in Kombination mit dem Willen und Mut, die eigene Komfortzone zu verlassen als ideale Voraussetzung, um sich Menschen mit Respekt und Empathie auf Augenhöhe zu nähern. In all meinen vorangegangenen Arbeiten ist diese Haltung spürbar und findet auch in dieser Serie ihren Ausdruck. Es gibt dabei einen entscheidenden Aspekt: Ich möchte mit meiner Arbeit Menschen und ihre Befindlichkeiten an das Licht bringen, welche sonst oft nicht wahrgenommen werden und dies mit einer Intensität und Würde, die leider selten geworden ist.
„Zuhause“ ist das Thema des Wettbewerbs und meine Arbeit setzt diesem Thema eher ein Fragezeichen hintenan als einen solchen Ort definieren zu wollen. In diesen Bildern kreist es um den Zustand des Werdens und der Sehnsucht nach Geborgenheit in einer äußerst fragilen Zeit des Übergangs vom Kind zum Erwachsenen.
In dieser Phase bilden wir unsere innere Stabilität, welche Grundvoraussetzung ist für ein Selbstbewusstsein und um uns in der Gesellschaft als Individuen behaupten und einstehen zu können.
Diese Kinder und Jugendliche leben in sehr versehrten Umständen und ihre Voraussetzungen sind nicht privilegiert. Ich dokumentierte diese jungen Menschen in stillen Porträts, um eine Ahnung dieses Moments der Zerbrechlichkeit und Metamorphose festzuhalten. Es schwingt in diesen Bildern eine Melancholie mit und wenn wir ehrlich sind, ist auch der Blick auf ein „Zuhause“ immer auch ein Blick auf unsere Herkunft, unsere Menschwerdung und unsere Sehnsüchte in Zeiten des Umbruchs. 
Schaffen es diese jungen Menschen nicht ihr inneres Zuhause zu finden und wertzuschätzen bleiben sie innerlich ungefestigt und heimatlos. Dies nicht im örtlichen, aber im psychologischen Sinne und damit auch wesentlich gravierender in den Auswirkungen, denn die „innere Heimat“ tragen wir unser ganzes Leben mit uns mit.
Oft entwickeln die Porträtsitzungen eine Eigendynamik und die Protagonisten merken, dass es ein Gewinn ist, den Mut aufzubringen sich zu zeigen und zu spüren, wie einzigartig jeder ist. Mein künstlerisches Schaffen ist seit langer Zeit auf dem Bereich Porträt und Ort konzentriert. In diesem Kontext entwickelte sich auch die soziale Komponente meiner Arbeiten zwangsläufig. 
Es geht mir auch darum mich selbst als Individuum zur Disposition zu stellen und meine Komfortzone zu verlassen, indem ich mich diesen psychologisch sehr fordernden Situation ausliefere. Nur so kann ich auch erwarten, dass mein Gegenüber etwas von sich offenbart bzw. sich öffnet. 
Ich versuche mich selbst zurückzunehmen um den Bildern ihre Offenheit zu erhalten. Ich sehe meine Fotografie in einem größeren Zusammenhang und mich selbst als Chronist des Übersehenen. Insofern möchte ich meine Porträts auch als eine Forschungsarbeit verstanden wissen und als 
eine Hinwendung zu den gesellschaftlichen Strömungen unserer Zeit.

Werdegang

  • Seit 2005 freischaffender Künstler und Lehrender im Bereich Fotografie

Auszeichnungen

  • Finalist Boutographies Montpellier 2011
  • Förderpreis Kunststiftung NRW 2004
  • DAAD Jahresstipendium 2002
  • John Kobal Photographic Portrait Award 1999
  • Rheinhart Wolf Auszeichnung 1997