Loading...

Timo Hinze

Konzept

"Als ich nachts wach liege, rufe ich E-Mails ab. Eigentlich wollte ich ARTE anmachen und versuchen wieder einzuschlafen, aber automatisch öffne ich Thunderbird. Morgens nach dem Aufstehen rufe ich E-Mails ab. Ein italienischer Feinkost-Versand versendet den Newsletter immer um 6:30. Sonst ist da nichts.
Nach dem Frühstück rufe ich E-Mails ab. Entweder auf dem MacBook, auf dem großen Mac oder wenn ich den Tag mit Ola verbringen auf dem iPad. Wenn ich mit Ola zusammen bin, versuche ich das iPad heimlich zu benutzen. Ich möchte nicht, dass er damit in Berührung kommt, aber eigentlich ist mir mein Verlangen unangenehm, nachzuschauen, ob mir jemand geschrieben hat. Diese Sehnsucht nach Impulsen, nach Feedback, Verwurzelung und Aufgehobenheit durch mögliche Projekte.
Dieses immer schon wieder loswollen, weiterwollen, irgendwohin wollen. Wie schwer es ist einen Vormittag mit ein paar Holztieren auf dem Teppich zu liegen oder auf dem Balkon zu sitzen, einen Kaffee zu trinken. Vom Balkon aus kann ich den Bildschirm sehen, eine neue E-Mail wird fett angezeigt. Was bedeutet es, zuhause zu sein? Dort auf diese ganz bestimmte Art drinnen zu sein. Drinnen im Netz, drauf auf den Plattformen, dran an den Impuls-Möglichkeiten mit ihrer immerwährenden Potentialität.
Das MacBook steht auf dem Wohnzimmertisch, auf dem Couchtisch, auf dem Küchentisch, auf dem Bett. Hier laufen alle Lebensbereiche zusammen. Was bedeutet es, zuhause zu sein, im Zuhause-Kapitalismus? Zuhause – die eigentliche Herausforderung, ein Ort an dem sich die Frage nach Authentizität und Freiheit stellt. Neidisch schaue ich unter der Bettdecke die Posts der anderen an. Zuhause, im Interieur der Plattformen. Was soll ich kaufen? Was soll ich arbeiten? Wer soll ich sein?

Zu fotografieren bedeutet für mich, darauf zu vertrauen, dass sich die Realität selbst vermitteln kann. Ich bin auf der Suche nach Motiven, in denen unsere Lebenswelt in ihrer Vielschichtigkeit und Komplexität zu einem Bild werden kann, also zu etwas, zu dem wir einen Betrachtungsabstand einnehmen können und das uns so helfen kann, die Verhältnisse, in denen wir leben, zu begreifen. Zuhause, das ist für mich nicht nur ein Ort des Rückzugs, sondern ein vielschichtiger, komplexer und auch widersprüchlicher Ort.
In diesen Fotos möchte ich diese Vielschichtigkeit verdichten, ich möchte Komplexität und Geborgenheit visuell ausbalancieren und aus Unruhe Ruhe werden lassen."

Werdegang

  • Freier Fotograf

Auszeichnungen

  • 2019 Stipendium, Künstlerhaus Lukas, Ahrenshoop
  • 2018 Förderankauf, Kulturstiftung des Freistaates Sachsen
  • 2017 Arbeitsstipendium, Kulturstiftung des Freistaates Sachsen
  • 2017 Anerkennung, Aenne-Biermann-Preis für deutsche Gegenwartsfotografie