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Sebastian Wells

Konzept

"Unter Utopie verstehen wir in der Regel eine meist positive Zukunftsvision einer Gesellschaftsordnung. Mein ,Utopia' ist keine Utopie. Es handelt von etwas gänzlich Realem.
Der Begriff Utopie kommt aus dem altgriechischen οὐ- ou- nicht und τόπος tópos Ort. Ein Ort ist für mich etwas über lange Zeit Gewachsenes. Eine Stadt, ein Dorf, eine Insel. Ein Ort hat eine Geschichte. Ein Flüchtlingslager ist kein solcher Ort. Es ist ein ou topos, ein Nicht-Ort.
Flüchtlingslager sind ewige Provisorien, gebaut nach den immer gleichen Ordnungsmustern, ausweglos und streng reglementiert. Sie existieren oft Jahre oder Jahrzehnte, entwickeln eine Eigendynamik und werden dennoch weder Ort noch Stadt, noch Teil einer Landkarte. Ihre Bewohner sind krisengeschulte Meister der Anpassung.
Der Flüchtling ist eine Ding gewordene Kategorie Mensch; das Flüchtlingslager ist die politische Schaubühne, auf der er sich arrangieren muss.
Von Sommer 2017 bis Sommer 2018 reiste ich zu 24 Flüchtlingslagern in sieben Ländern Europas, Afrikas und des Nahen Ostens: Tschad, Kenia, Jordanien, Türkei, Griechenland, die Niederlande und Deutschland.

Überall auf der Welt und unabhängig von den jeweiligen Krisenherden basieren Flüchtlingslager auf denselben Funktionsweisen. Sie sind abgeschieden von städtischer Zivilisation auf Industriehäfen, in alten Gefängnissen oder mitten in der Wüste zu finden. Sie unterliegen der Kontrolle von NGOs und der gastgebenden Territorien, die sowohl Bewohner*innen als auch Besucher*innen überwachen und sich als Helfende inszenieren. Nicht zuletzt können Flüchtlingslager in wenigen Tagen aufgebaut werden und bleiben bis zu ihrem Schluss in einem Zwischenzustand, der in ebenso wenigen Tagen wieder entfernt werden kann.
Sie sind ein Sinnbild für die Verwaltung von globalen Machtverhältnissen und Abhängigkeiten.
Von jener internationalen Universalität der Lagerwelten handelt diese Arbeit. Die Orte, an denen die Bilder entstanden sind, spielen daher eine untergeordnete Rolle.
Zwei bildnerische Ansätze, der topografische und der filmische, sind wesentlich für die Arbeit. So greifen distanzierte Außenaufnahmen der Lager ineinander mit Studien provisorischer Objekte und schließlich erzählerischen, szenischen Fotografien von Geflüchteten.
Es entsteht ein Komplex aus bühnenhaften Bildern über den zwanghaft stagnierten Alltag eines eigentlich überaus dynamischen Fluchtprozesses."

Werdegang

  • Freier Fotograf

Auszeichnungen

  • 2019 New Talent Award Belgrade Photo Month
  • 2018 FOLA Photobook Award Buenos Aires
  • 2017 VDS Sportfoto des Jahres